Freeride Allgäu (03.02.2024)

Mitten in der Nacht um halb acht trafen sich in Sonthofen 8 wackere Typen wild entschlossen, den allgäuer Powder im Freesride-Style zu durchpflügen.
Diese kühnen Vorstellungen platzten jäh, als Manuel unser Tourguide recht nüchtern formulierte: „… naja – machma halt s´Beschte draus…; Fahrma zur Kanzelwand, aber hint´ rum wägsm Schtau…“. Tja, so schnell kann man wieder Bodenhaftung finden.

Und klar, er hatte recht. Es ist warm – viel zu warm. Geschneit hats ausgerechnet gestern, sodass vermutlich weiche, bäppige Pampe unsere Aussichten auf Firnvergnügen gegen Null schrumpfen ließen. Na dann: Machma halt´s Beschte draus.

Die Tagestickets waren schnell an der Talstation Kanzelwand gelöst und der hereinbrechende Strom an Menschenmassen machte uns Beine, möglichst schnell die erste Bahn zu bekommen. Irgendwie pennte ich noch halb in der Gondel – hatte schlecht geschlafen vor lauter Aufregung und so ließ ich mich widerstandslos nach oben schaukeln.

Gipfelstation -Kanzelwand: Manuel wartete schon gleich ums Eck und zeigte Richtung Nordgrat: „Den probierma!“. Sprachs und dappte sich eine Anschnallrampe im verblasenen Schnee. Wir im Gänsemarsch hinterher. Zuerst gings durch eine Mulde in Richtung Gehrenspitze auf die Rote Wand. Schon beim Abfahren durch diese Mulde kamen mir erste Zweifel auf, ob meine Ski okay sind.. Oben auf der Kuppe angekommen wurde uns versichert, dass Lawinen zumindest hier im Stall bleiben werden. Und so starteten wir über einen makellosen Hang hinunter Richtung Skipiste. Dann aber die Überraschung: Die Ski stoppten ganz plötzlich die Fahrt so heftig, dass man schon glaubte, der Schnee würde sie regelrecht festsaugen, um sie dann aber gleich wieder kurz freizugeben.

Geboren und aufgewachsen im Allgäu mit Ski dachte ich bislang, ich hätte jede Schneeart schon mal erlebt.
Aber sowas krasses? Nein – kann mich nicht erinnern. Beim Blick zurück wurde aber klar, dass hat mit meinen Ski nichts zu tun. Alle eierten mit weit aufgerissenen Augen weit unterhalb ihrer normalen Performance den Hang runter. Nur Martin zog – ich hatte keine Ahnung wie – sehr ansehnliche Schwünge durch die nasse Pampe. Da staunt der Fachmann und der Wunder leiert sich. Als Nächstes gings nochmals den gleichen Grat hoch, dieses mal weiter rüber Richtung Gehrenspitze. Stellenweise echt ne Herausforderung für jeden Herzschrittmacher. Denn bei dem wenigen Schnee hatte der Grat hier und da eine gefühlt kaum 50 cm breite, dürftige Schneeauflage, links und rechts gings knackig runter. Insbesondere, wenn Matthias mit seinem Splitboard, (mit beiden Füßen drauf festgeschraubt!!!), da drüber kratzte, manchmal mit den Armen wild fuchtelte, mochte ich gar nicht so genau hinschauen. Aber er hats mit Bravour gemeistert! Und so kam auch von unseren Guides das Kompliment: Gut performed, da können wir noch ne Schippe drauf legen.

Als Lohn gings nochmals an den Lawinenverbauungen vorbei runter in Richtung Kanzelwandabfahrt. Natürlich mit dem mittlerweile bekanntem Saugschnee. Ich glaub, hier hats dann beim ungläubigen zuschauen, wie Martin trotzdem seine Schwünge zelebriert, bei mir Klick gemacht: Anstatt dem Bremsen/Saugen/Beschleunigen seine Muskelkraft ausgleichend entgegen zu setzen, bleibt man stur wie einbetoniert in der bekannten Position: Druck auf Schaufel, Talski belasten usw. Super! Hat sich schon wieder gelohnt aufzustehen!

Dann gings Richtung Fellhorn und mit der Gondel bis zur Mittelstation. Hier ein paar Meter hochgekraxelt und rechts runter in die Wanne vom Schlappoltsee. Unten angekommen wurden sogleich die Felle aufgezogen, um sich dann hoch zum Schlappoltkopf aufzumachen. So langsam erinnerten die ersten daran, dass Menschen manchmal auch mal was essen müssen und wann die Herren gedenken, ne Pause einzulegen. „….Jaaaa – kein Problem – machen wir oben!  Reinhard, hasch Deinen Kuchen wieder dabei?“ Reinhard: „Logisch! Gedeckter Apfelkuchen mit Mandelsplitter”. Nicht übel…. das hörte sich sogar irgendwie seriös an.  So, als hätte er auch ne Kaffeemaschine im Rucksack.

Es folgte ein wunderschöner Aufstieg (ca. 30-45 min) über weite Hänge durch traumhafte Landschaft unter zwetschgenblauem Himmel. Jeder konnte so sein Tempo laufen, was überaus angenehm war. Oben angekommen, knallte ein heftiger, unangenehmer Westler uns um die Ohren. Also verzogen wir uns schnell in den Südhang unterhalb vom Grat in den Windschatten. Sofort entspannten sich alle Gemüter, man fand sein Brotzeitplätzchen und ließ den Blick schweifen. Von Süden grüßten die beeindruckenden, verschneiten Gipfel des Allgäuer Hauptkammes mit dem Waltenberger Haus und wir grüßten freundlich zurück. Plötzlich knackte neben mir die Tupperdose vom Reinhard. It´s time for Apfelkuchen! „.. ja herrschaftszeiten – jetzt hat so ein blödes wildes Männle meinen Apfelkuchen in Datteln verzaubert. Aber wenigstens 8 Stück….“ Großzügig überließen wir ihm seine Datteln, denn die Kaffeemaschine hatte sich ebenfalls in Luft aufgelöst und wir hatten schließlich noch was vor.

Das Highlight stand kurz bevor: Die Abfahrt vom Schlappoltkopf in Richtung Riezlern. „.. hier aufpassen – einzeln fahren! Immer nur bis zum Sammelpunkt“ war die Losung von Manuel.
Voller Respekt näherten wir uns der Einstiegsstelle und schauten zwischen Latschen einen Hang runter, der partiell wohl seine 40 ° auf die Waage bringt. Übermütig und leichtsinnig wird da keiner. Manuel zog als erster mit seinen 120er Latten seine Spur und verschwand knapp hinter einem kleinen Huckel.

Und oh Wunder – hier war der Schnee erstaunlich gut! Kein Bäppen – kein Bremsen – Nichts!  Macht richtig Spaß, die Turns hier hinein zu ziehen. Im Kernhang war schon mal was Kleines abgegangen und so stürzte sich die Meute einer nach dem anderen über dieses vorbereitete Feld hinunter. Etwas weiter unten sammelten wir uns mit strahlenden Gesichtern in der Sonne und stellten übereinstimmend fest, dass dieser Hang den Tag voll rausgerissen hat. Auf eine Hütteneinkehr verzichteten wir, um noch eine Fahrt mit der Kanzelwand hinzukriegen.

Mit dieser letzten Fahrt nach bekanntem Muster, schlossen wir den Freeride-Allgäu-Tag. Bei einer kurzen Einkehr im Moorstüble in Reichenbach wurden die tollen, schrägen, erfüllenden Erlebnisse bei Kaffee, Bier, riesigen Hamburgern und Kuchen nochmals rückblickend genossen und fürs Erste verdaut.

Teile diesen Beitrag
Beitragsarchiv